Entwicklung und Aufgabe der Bühnenbeleuchtung
Ein Beitrag zur Bühnenbeleuchtungskunst - 2. Teil
von Arnold Johannes Jäger
Seit vielen Jahren werden in den Waldorfschulen Theaterstücke und
Eurythmieaufführungen und viele andere Darbietungen auf die
Bühne gebracht. Als selbstverständlich gilt, daß
die meisten Aufführungen nicht im Tageslicht gezeigt werden.
Durch den Beleuchtungsaufwand ist deutlich, daß es sich nicht
um einen Tageslichtersatz handelt. Denn wenn es nur darum ginge, daß
die Schüler auf der Bühne sichtbaren sind, würde
man den Saal nicht verdunkeln und man würde mit Kunstlicht nur
das ergänzen, was das Tageslicht nicht schaffen. Was ist denn
dann die Aufgabe, der Sinn oder der Zweck der Bühnenbeleuchtung?
Jede Waldorfschule hat (oder hat sobald wie möglich) eine
Bühnenbeleuchtungsanlage in ihrem Festsaal (oder
Festsaalersatz) stehen; oft mit einer beachtlichen Ausstattung. -
Schaut man in die »Erziehungskunst«, dann findet man
einige sehr aufschlußreiche Beiträge zur Bedeutung
und Durchführung von Klassenspielen; aber selbst in dem
Themenheft »Klassenspiele« vom Oktober 1994 bleibt die
Beleuchtung fast unerwähnt. Hat die Beleuchtung in den
Waldorfschulen eine Bedeutung für das Schauspiel und die
Eurythmie, die über das Sichtbarmachen der Darsteller und
Kulissen hinausgeht?
Die Beleuchtung hat im Drama schon immer eine große Bedeutung.
Die Aufführungen zu bestimmten Jahres- und Tageszeiten, der Einsatz von Fackeln
und anderem Feuer geben davon Zeugnis. In der heutigen Art der
Bühnenbeleuchtung haben wir große und neue Möglichkeiten
an der Hand, die es noch nie zuvor gab, so daß hier eine neue
Kunst entstanden ist, die nur von wenigen als solche bemerkt wird.
Die Bedeutung der Kunst für die Menschheit
Was kennzeichnet eine Kunst oder wie wirkt eine Kunst in den Werdegang der
Menschheit hinein? Die Künste hatten in den vergangenen
Zeiten vor allem die Aufgabe, Übersinnliches, auch im sinnlichen
erlebbar zu machen. Damit können auch weniger Hellsichtige
an den Ergebnissen der Eingeweihten teilhaben. Ein enger Zusammenhang
bestand daher immer mit den Mysterien, den Tempelgeheimnissen und den
Religionen. Die Götter- und Heldensagen, die Heilige
Schrift und anderes mehr wurden in Form von Epen, Dichtungen, Dramen
und Zeichnungen, Bildern Plastiken und Musik vor die Seelen der
Menschen gestellt. Diese gaben ihnen Orientierung und Sinn für
das Erdenleben. Als dann der Materialismus an die Stelle der
Mysterien trat, hat auch die Kunst sich mit ihm verbunden, so
daß dieser Zusammenhang in das unbewußte gegangenen ist
und vergessen werden konnte; dafür haben die Menschen gelernt,
die Dinge und Gegenstände so aufzunehmen, wie sie in der
physischen Welt sind. Heute leben wir nicht mehr in der Zeit des
Materialismus; das können wir daran sehen, daß es der
Kunst nicht mehr genügt, die äußere Welt so zu
zeigen, wie sie mit den Sinnen wahrgenommen wird. Diese Seite ist
durch Fotografie, Film- und Tonaufnahmen übernommen worden, und
die Künste suchen danach, auf nicht Sichtbares
hinzuweisen. Die Wege, auf denen es versucht wird, sind sehr
verschieden und vielfältig. - Am Anfang dieses Jahrhunderts
hat sich die Kunst, vom nachbilden der Außenwelt getrennt.
Heute wollen auch Foto-, Film- und Tontechnik nicht mehr ein Abbild
der Welt sein, sondern bauen eine eigene Welt auf, die im
wesentlichen im Zusammenhang mit der technischen Welt und den
Trieben und Begierden der Menschen steht. (Siehe hierzu auch die
Ausführungen von Rainer Patzlaff in der »Erziehungskunst«
5 und 6 1995.)
Die Beleuchtungskunst in der heutigen Form hat am Anfang dieses
Jahrhunderts begonnen und damit eindeutig in der Zeit, in der der
Materialismus in der Kunst überwunden wurde. Sie steht uns
also zur selben Zeit zur Verfügung, in der wieder durch die
Künste nichtsichtbares sichtbar werden will. - Eine Kunst, die
wie die Beleuchtung aus der Technik entstanden ist und dadurch das
Wesentliche der Künste nicht selber erlebt hat, hat es besonders
schwer, die Technik so in ihren Dienst zu stellen, daß sie
übersinnliches durch die gegenwärtige Tätigkeit des
Menschen sichtbar macht.
Zur Aufgabe der Beleuchtungskunst
Anbetracht der geschilderten Zusammenhänge ist die Leistung, die Rudolf
Steiner für die Künste erbracht hat, besonderes
beachtenswert. Er hat durch den künstlerischen Schulungsweg, den
er den Eurythmisten, Malern, Sprachgestaltern, Schauspielern,
Erziehungskünstlern, Bildhauern und vielen anderen gab, eine
Möglichkeit geschaffen, die Künste wieder mit den Mysterien
zu verbinden. Aber nicht an äußeren Tempelstätten wie
in den alten Zeiten sondern jeder Mensch hat die Möglichkeit
bekommen, durch seine innere Arbeit selber der Tempel zu sein, von
dem aus die Kunst in die Welt tritt und so durch den künstlerisch
tätigen Menschen die geistige Welt in der sinnlichen offenbar
werden kann. Auch die Beleuchtungskunst macht da keine Ausnahme.
Da es zur Aufgabe der Künste gehört, auf die hinter den Sinnen verborgene
Welt aufmerksam zu machen, ist es heute an der Zeit, die Menschen auf
die imaginativen Welt, die immer mehr als Realität erlebt
wird, aufmerksam zu machen. Die Eurythmie und die Mysteriendramen von
Rudolf Steiner können uns da ein Vorbild sein, aber auch in
vielen anderen Theaterstücken und Opern sind Szenen enthalten,
die aus einem übersinnlichen Bild-Erleben gestaltet werden
wollen. Im gewöhnlichen Theater- und Opernbetrieb werden gerade
solche Bilder und Szenen bis zur Unkenntlichkeit gestrichen und
entstellt. - Es ist schön zu sehen, wie in Klassenspielen solche
Szenen Bild werden können. Im Reigen der darstellenden Künste
gibt besonders die Beleuchtungskunst die Möglichkeit den
Bühnenraum so in Erscheinung treten zu lassen, daß ein
Geschehen der übersinnliche Welt wie eine Imagination vor die
Zuschauer treten kann.
Besonders deutlich wird es bei der Eurythmie. Die Eurythmie ist sichtbare Sprache,
und sie ist sichtbarer Gesang. Mit einigen Elementen, wie zum
Beispiel dem Tierkreis, geht sie noch ein Stück darüber
hinaus. Alles, was durch die Eurythmie auf der Bühne
gezeigt wird, ist in der physischen Welt mit den irdischen Sinnen
nicht wahrnehmbar. Es gehört der elementarischen Welt und den
Lebens- und Bildekräften an. Damit muß sich auch die
Beleuchtung in dieses Geschehen eingliedern und so zur sichtbaren
Sprache und zum sichtbaren Gesang werden.
Das Beleuchten und das Bühnenbild
Wesentlich für das Beleuchten sind die Wechsel
von einer Stimmung in die andere, von
einer Farbe in eine andere. Und zwischen den Lichtverwandlungen,
in den Ruhezeiten tritt die Beleuchtung zurück, um dann mit dem
nächsten Wechsel das Bühnenbild wieder zu beleben. So
entsteht ein Atem, in dem es wichtiger ist, welche Farbstimmung
auf welche Farbstimmung folgt, als die Lichtstellungen selber.
Die Beleuchtungskunst ist eine Kunst, die in der Zeit sich offenbart,
wie die Musik. Die innere Tätigkeit des Beleuchters ist die
gleiche wie die des Musikers. Des Beleuchters Noten sind das
Stück, das er beleuchtet. Auch hier gilt dasselbe wie für
den Musiker, daß willkürliches Eingreifen in das Stück
fremdes und damit falsches in den Ablauf bringt und stört.
Ebenso auffällig im umgekehrten Sinn sind unterlassene Wechsel.
Der Vergleich mit der Musik kann noch in vielen Einzelheiten
weitergeführt werden. - Der Kulissenbauer und -Maler gibt die
Form und Plastik in dem Bühnenraum. Die Kräfte mit denen er
umgeht, sind denen der Sprache gemeinsam, die mit den Konsonanten den
Raum unsichtbar formen und plastizieren. So haben wir in dem
Bühnenraum durch die Kulissen die Form gewordene Sprache und in
der Bühnenzeit durch die Lichtwechsel die sichtbare Musik. Damit
das Bühnenbild eine Einheit in dem Raum und in der Zeit ist, ist
eine Zusammenarbeit zwischen dem Bühnenbilder und Beleuchter
unverzichtbar.
Beleuchten im Schulleben
Das Beleuchten hat meiner Erfahrung nach denselben Wert für die Entwicklung
des Schülers wie das Erlernen eines Musikinstrumentes. An vielen
Waldorfschulen oder in ihrer Umgebung sind Märchenbühnen
verschiedener Art anzutreffen. Durch ebenso regelmäßiges
Üben, wie es für ein Musikinstrument gilt, können
junge Menschen das Beleuchten so erlernen, daß sie die
»Notenschrift« des Märchens lesen lernen und dann zu
einem Beleuchten kommen, daß die Märchen neu erleben läßt.
Die Technik tritt so nicht in ihrer Unvollkommenheit oder durch
unberechtigte Effekte in den Vordergrund sondern sie ist in den
Dienst des Stückes gestellt.
Bühnen für Marionetten, Handfiguren und dergleichen können gut von
Schülern ab dritter oder vierter Klasse beleuchtet werden. Als Erweiterung und
Fortführung kann dann ab achter oder neunter Klasse die
Schulbühnenbeleuchtung bedient und betreut werden. So kann
die Stellung der Bühnenbeleuchtung eine mehr künstlerische
werden, als sie es jetzt meistens ist.
Oft finden Schüler durch ihr Interesse an der Technik zur Beleuchtung.
Für diese Schüler ist es wichtig, daß sie erleben wie die Technik
nur das Mittel, das Instrument für die künstlerische
Tätigkeit ist und nicht das Ziel. Das setzt aber voraus, daß
es einen Beleuchtungslehrer gibt, wie es Klavier- und Geigenlehrer gibt.
Im nächsten Heft werde ich auf die Beleuchtungstechnik eingehen.
© Arnold Johannes Jäger
Literaturhinweise:
Ehrenfried Pfeiffer in »das Goetheanum« Nr. 10/1940:
Rudolf Steiner als Schöpfer einer neuen Bühnenbeleuchtungskunst.
Hedwig Greiner-Vogel in »Das Goetheanum« Nr. 42/1949: Licht-Eurythmie.
Thomas Stutter in STIL Sonderheft Michaeli 1994 (Thema: Der große Saal im Goetheanum):
Fragen des Lichtes und der Beleuchtung.
Erschienen im Lehrerrundbrief Nr. 58 Oktober 1996
Wohin geht die moderne Bühnenbeleuchtungstechnik?
Ein Beitrag zur Bühnenbeleuchtungskunst - 3. Teil.
von Arnold Johannes Jäger
Nachdem ich im letzteren Rundbrief über die Beleuchtungskunst geschrieben
habe, wende ich mich jetzt der Beleuchtungstechnik zu. Warum diese
Trennung zwischen Beleuchtungskunst und -technik? Für den
Musiker ist es klar, daß das Instrument, das er spielt für
die Ausübung seiner Kunst vorhanden und in Ordnung sein muß:
ein Gesprächsthema ist es nur, wenn es nicht im gewünschten
Maße für das Musizieren taugt. Bei den Beleuchtern ist es
anders. Sie unterhalten sich ausführlich über jene
Einzelheit ihrer technischen Apparatur. Die Bühnenbeleuchtung
ist von der Technik bestimmt und nicht die Technik von dem
Beleuchten! Geht es darum eine bestimmte Technik anzuwenden,
oder geht es darum eine bestimmte Beleuchtung auf die Bühne
zu bringen? Nun, die Antwort scheint Klarheit zu sein, je nach dem
Standpunkt des Antwortenden. Ohne die Beleuchtungstechnik kann die
Beleuchtungskunst nicht ausgeführt werden, dennoch die Aufgabe
und der Zweck der Bühnenbeleuchtung lassen sich nicht aus der
Beleuchtungstechnik ableiten. Für den, dem die Kunst
selbstverständlich ist, ist diese Sachlage klar; aber für
jemanden er von der Technik fasziniert ist, gilt alles technisch
machtbare als auf jeden Fall durchzuführen, egal um welchen Preis.
An dieser Stelle ist es interessant anzusehen, daß sich ein anderes ebenfalls
hochtechnisches Instrument, nämlich die Orgel, eine wichtige Aufgabe in der Kirche,
also in einem Bereich der Kultur, der die Menschen zum göttlichen führen will, entwickelte.
Erst als die Technik der Orgel so weit entwickelt war, daß die Orgel den Organisten nicht mehr
benötigte ist sie zum Unterhaltungsinstrument (z.B. die Drehorgel) geworden und hat den
Bezug zum Übersinnlichen und zur Kirche verloren. So wie die
Technik der Orgel zugunsten der Musik in den Hintergrund tritt,
so muß auch die Technik der Beleuchtungsanlage zurücktreten können.
Beginn der anthroposophischen Beleuchtungskunst.
Es war eine bedeutende Schicksalsfügung für die Entstehung und die
Entwicklung der anthroposophischen Beleuchtungskunst, daß Rudolf Steiner dem jungen Studenten
Ehrenfried Pfeiffer begegnete, der in der Lage war, die Anweisungen Rudolf Steiners
umzusetzen und selbständig daran weiter zu arbeiten. Vor 75
Jahren (1921) nahm er auf der Bretterbühne in der
Schreinerei die erste Beleuchtungsanlage in Betrieb, die unter Rudolf
Steiners Anleitung gebaut wurde. Sie bestand aus den zu der Zeit
üblichen Beleuchtungskörpern. Seitdem ist das Grundprinzip
dieser Bühne von vielen anthroposophischen Einrichtungen
übernommen worden. Dies war auch die Zeit, in der die Eurythmie
begann, in die Öffentlichkeit zu treten und in der die
Eurythmiebeleuchtung entwickelt wurde.
Nur kurze Zeit, nachdem Ehrenfried Pfeiffer die Beleuchtung der Schreinerei Bühne
fertiggestellt hatte, baute er auch in das Goetheanum eine Bühnenbeleuchtung ein,
die eine wesentliche Weiterentwicklung gewesen sein muß.
Für das erste Goetheanum sollte Ehrenfried Pfeiffer nicht die bestehende Beleuchtungstechnik
studieren und gebrauchen, sondern selber die benötigte Technik und die Beleuchtungskörper
entwerfen. Sie sollte einen möglichst diffusen, dem Weichen des Tageslichtes ähnlichen
Licht- und Farbenwechsel ermöglichen und so die Eurythmisten und Schauspieler ganz in die Farben
einhüllen können. Ehrenfried Pfeiffer erreichte dieses mit Beleuchtungskörpern,
deren Lampen unter einer farbigen Glaskuppel auf einem Konvexen
weißen Reflektor montiert waren.
Die Bühnenbeleuchtung ist den entgegengesetzten Weg gegangenen.
Die Hauptbeleuchtung in der Schreinereibühne war und ist auch noch heute eine
Rampenbeleuchtung, das heißt: in möglichst dichter Folge sind viele Lampen in einer Reihe
angeordnet. Zu jeder Lampe gehört ein Reflektor, der das Licht nach vorne richtet, durch einen
Farbfilter tritt das Licht aus. Die Farben wechseln sich ab. Die
Hauptbeleuchtung in der kleinen Kuppel im ersten Goetheanum hatte das
Prinzip umgestülpt: der Reflektor umschloß nicht die Lampe
um das Licht zu konzentrieren, sondern war hinter der Lampe und
verstärkte so die Streuung des Lichtes; der Farbfilter war nicht
flach, sondern umhüllte die Lampe; die Reihe der Farben war
nicht parallel zur Fußrampe, sondern von vorne nach hinten
hinter den Säulen. (Auf der diesjährigen Tagung für
Eurythmiebeleuchter konnten wir einen Beleuchtungskörper, der
aus der Zeit des ersten Goetheanums erhalten ist, sehen und
ausprobieren.)
Die moderne Beleuchtung hat sich von der Rampenbeleuchtung getrennt. In den
Scheinwerfern wird das Licht mit Hilfe von Spiegeln und Linsen auf einen bestimmten Punkt konzentriert;
damit wird durch Lichtpunkte das Wichtigste hervorgehoben und mit jedem kleinen oder großen
Lichtpunkt ein neuer Raum geschaffen. Die modernen Flächenlichter
sind so aufgebaut, daß sie das Licht gleichmäßig auf
eine genau abgegrenzte Fläche verteilen; dieses kann man als
eine Steigerung der einzelnen Zelle der Rampenbeleuchtung ansehen.
Eine Steigerung, die es erlaubt jede einzelne Lichtquelle für
eine spezielle Aufgabe genau einzurichten für das gleichmäßige
Ausleuchten einer Fläche, eines Horizontes oder eines Prospektes.
Diese Art der Beleuchtung betont den Raum und kann gerade in den dramatischen
Werken die einzelnen Positionen gut hervorheben. Der Wechsel von
einem Lichtraum in den anderen ist gut erkennbar und unvermeidbar.
Diese Beleuchtungskörper sind so ausgelegt und werden so
angewandt, daß in der Regel die Farbstimmungen der
Helligkeit unterliegen. Soll eine Bewegung in einem mit farbigem
Licht erfüllten Raum gezeigt werden ohne das immer neue
Lichträume betreten werden und auch so, daß der
geometrische Bühnenraum unwichtig und durch den Farbraum ersetzt
wird, dann ist man mit den modernen Beleuchtungskörpern an einer
Grenze angekommen. Für die Darstellung über- und
untersinnlicher Welten und Wesen und damit auch für die
Eurythmie ist eine Beleuchtung gefragt, die dem Wahrnehmen der
Imagination entspricht und genau dafür war die Beleuchtung im
ersten Goetheanum ausgelegt.
Die Computer-Bedienung.
Ein - aus - ein - aus - ein - aus - ein... - Das ist die für den elektrischen
Strom geeignete Schaltweise, die wir auch täglich sehr oft
anwenden, meistens ohne uns darüber weitere Gedanken zu
machen. Alles andere ist ein empfindliches Wechselspiel zwischen den
elektrischen Verbrauchern. Im ersten Goetheanum war es das
Wechselspiel zwischen den Wasserwiderständen und
Glühlampen: entweder gab es viel Licht auf der Bühne oder
das Wasser wurde heiß. Das gilt auch für alle anderen
Widerstände, die für die Steuerung eingesetzt wurden. Seit
der Entwicklung der Halbleiter wird auch die
Helligkeitssteuerung durch schnelles Ein- und Ausschalten
erreicht. (Eine Folge davon ist das Brummen der Lampen.)
Mit Einzug des Computers ist nun auch am Bedienungspult das Aus-Ein für jede
Helligkeitsstufe gekommen. Diese Art des Schaltens ist der Elektronik
so sehr zu eigen, daß die Menschen, die die Anlage bauen den
Menschen vergessen, der sie als Werkzeug für die
Beleuchtungskunst einsetzen will. Zahlen stehen dann im
Vordergrund statt der zu steuernden Bühnenbeleuchtung. Die
computergesteuerten Kleinpulte sind entstanden, als die
Hersteller schon bemerkt hatten, daß die Beziehung zwischen den
Bühnenbeleuchtungskörpern und den Bedienungselementen auf
dem Pult doch wichtig ist.
Die Hauptrichtung bei der Entwicklung von Beleuchtungsanlagen geht aber nach wie vor
dahin, das Beleuchtungspersonal zu reduzieren. Erste Opernhäuser
werden mit Anlagen ausgestattet, die es erlauben sollen, die gesamte
Beleuchtung für eine Vorstellung am Computer außerhalb der
Bühne zu fertigen, damit sie für andere Proben und
Aufführungen frei ist; oder auch, daß eine Probe
aufgenommen wird; bei den Aufführungen sucht dann der Computer
selbständig an Hand von Auftritten und bestimmter Tonaktionen
die Zeitpunkte für die Beleuchtungswechsel. Der Beleuchter hat
so während der Aufführungen keine Aufgaben mehr. - (Wann
spart man die Schauspieler ein?)
Soweit die Richtung, in die die Technik geht. Wichtiger für uns ist es jetzt,
sich die eigenen Erfahrungen mit dieser Technik anzuschauen. Üblich
ist heute, daß die einzelnen Stimmungen für eine
Aufführung der Reihe nach mit oder ohne Übergangszeiten
abgespeichert werden und dann bei der Aufführung der Reihe nach
wieder abgerufen werden. Es entspricht genau der früheren
Praxis: die Stimmungen wurden mit den Zahlen für den Kreis und
die Helligkeit aufgeschrieben und dann während der Aufführung
wieder vom Papier auf das Pult übertragen. Aber ist das schon
die Beleuchtungskunst? Vergleicht man die Tätigkeit eines
Pianisten mit der, wie heute der Beleuchter arbeitet, dann ist die
Antwort eindeutig: Nein! Denn einem Pianisten, der die Noten vom
Blatt spielt, auch wenn alles richtig abgespielt ist, hört man
nicht lange zu, denn es fehlt die Musik!
Beim übertragen der Beleuchtung vom Papier weis der Beleuchter im voraus welches
Licht, welche Stimmung kommen soll. Er kann diese Übergänge innerlich so begleiten,
daß sie vom Menschen getragen ausgeführt werden. Es ist daher dem Beleuchter möglich,
sehr fein mit dem Geschehen auf der Bühne zusammen die
Beleuchtung zu wechseln und neu anzupassen; je seltener er auf das
Papier schauen muß, desto besser wird es ihm gelingen. Beim
Beleuchten aus dem Computerspeicher werden die Wechsel entsprechend
der Stimmungsnummer im Text oder in den Noten übernommen und
mehr technisch ausgeführt. Die innerliche Haltung des
Beleuchters ist mehr ein bangen darum, daß kein Wechsel verpaßt
wird, und was, wenn er verpaßt wird, welche Stimmung kommt denn
jetzt und ist auch alles auf der Bühne so wie immer; also, die
innere Anspannung ist nicht geringer, aber dafür mehr auf
äußerliches gerichtet. Das macht sich nach der Aufführung
für den Beleuchter deutlich bemerkbar. Nach der Aufführung
ist der Beleuchter immer erschöpft. Im ersten Fall, wo er aktiv
die Stimmungen erzeugt, fühlt er sich nach der Aufführung
erfüllt; im zweiten Fall, wo er immer darum bangt das alles nach
Plan geht, fühlt er sich ausgelaugt und leer. Wenn man auf
solche Gefühle achtet, gewinnt man eine neue Urteilskraft auch
für den Umgang mit der Technik.
Das Computerpult - Hilfe oder Hindernis?
Die Beleuchtungstechnik ist so weit fortgeschritten, daß man von
ihr alles verlangen kann, was man braucht. Für die
anthroposophische Bühnenkunst brauchen wir eine
Beleuchtungsanlage, auf der der Beleuchter spielen kann, wie der
Pianist auf dem Flügel oder der Organist auf der Kirchenorgel.
Das zu realisieren ist heute mit Computerpulten leicht möglich,
aber wir müssen es wollen und beim Hersteller durchsetzen, denn
vom modernen Theater kommt es nicht! Wenn wir uns nicht um eine
Beleuchtungskunst kümmern und sorgen, dann werden wir in Zukunft
nur noch mit Pulten beleuchten können, die den Menschen ersetzen
wollen, anstatt vom Menschen geführt zu werden. Hier haben wir
Verantwortung und müssen handeln! Ebensowenig, wie es Sinn
hat die Technik des Konzertflügels für den Festsaal selber
zu bauen, ebenso sinnlos ist es, die Beleuchtungspulte selber
herstellen zu wollen.
Ist es nicht so, daß Ahriman seine eigene Welt mit dem von der Technik
bestimmten Menschen aufbauen will und er damit sich selber in sich selbst
verstrickt und fesselt? (siehe hierzu die »Gruppe«, die
an zentraler Stelle im ersten Goetheanum aufgestellt werden sollte.)
Und wir können, wenn wir das Erkennen, mit ihm und ihn dadurch
befreiend, seine Technik und Wesen in den Dienst der Menschheit und
der michaelischen Wesen und Kräfte stellen. Eine besondere
Möglichkeit bietet da die Bühnenbeleuchtungskunst,
denn hier ist die Freiheit für die Art des Einsatzes der
Technik sehr groß. Der Computer kann also eine große
Hilfe sein beim Beleuchten, aber auch ein großes Hindernis und
was er für uns ist, liegt an uns! Leider sieht man, wenn man auf
Tourneen durch die Schulen kommt, daß das Verständnis für
den technischen Teil der Bühnen noch wenig ausgebildet ist. Das
gilt besonders für die - sonst schönen - in einem Guß
gebauten Schulgebäude mit Festsaal. Die Menschen, die die
Anlagen betreiben und betreuen, haben es dadurch oft schwerer als es
nötig wäre.
An vielen Stellen ist zu beobachten, daß die von ahrimanischen Wesen
inspirierten Künste die Menschen suchtartig an sich binden und damit einen
großen Geld Umsatz machen und brauchen. Unsere Kunst braucht
Menschen, die sich für Sie einsetzen. Dann kann sie auch
mit geringem Materialverbrauch und wenig Geld viel leisten. -
Das gilt auch für die Beleuchtungskunst.
© Arnold Johannes Jäger
Literaturhinweise:
Alla Selswry: Ehrenfried Pfeiffer, Pionier spiritueller Forschung und Praxis
Rainer Patzlaff in »Erziehungskunst«
Nr. 5 und 6 1995: Die Rettung der Sinne - Aufgabe unser Zeit
Thomas Sutter in »Auftakt« Winter 1995/96:
Der ätherische, eurythmische Farblichtraum.
Thomas Sutter in »Stiel« Sonderheft Michaeli '94:
Fragen des Lichts und der Beleuchtung.
Erschienen im Lehrerrundbrief Nr. 59 März 1997